Grosse Felsabbrüche am Wiggis im Jahre 2012

 

Februar 2012: Situationsbericht von Hans Speck

 

Es sind nicht die ersten Felsabbrüche in den letzten Jahren. So hat man einen kleineren Abbruch im Bereich der oberen "Stotzigwaldrisi“ am Samstag, 11. Juni 2011 registriert. Gleich drei Mal kurz hintereinander schrecken am

Donnerstag, 23. Februar, am Freitag, 24. Februar und in der Nacht vom Freitag auf den Samstag 24./25. Februar 2012 drei grosse Felsabbrüche die Bevölkerung von Netstal auf!

Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass vor allem die am nächsten an der Wiggiswand wohnenden  "Netschteler" sich Sorgen machen. Auch wenn die zuständigen Behörden Entwarnung geben, in einer ersten Massnahme die Zugangswege ins Gefahrengebiet absperren und ausgewiesene Geologen die Abrissstelle als im Moment nicht gefährdend einstufen; die Netstaler sind gegenüber den Expertisen und Theorien der Spezialisten mehrheitlich eher skeptisch eingestellt.

Und wie Recht sie damit hatten, bewiesen die Ereignisse fast auf den Tag genau vier Jahre später.

 

 

 Die Chronologie der Ereignisse

 

Am Donnerstagmorgen, 23. Februar 2012, um 08.40 Uhr und tags darauf am Freitag, 24. Februar um 18.30 Uhr, sowie in der Nacht vom 24. auf den 25. Februar brachen im oberen Drittel der Plänggliwand, etwa 150 Meter rechts oberhalb des Ruchbandes,

grössere Felsmassen ab. Diese stürzten in einem Gemisch aus Fels, Eis und Geröll in Richtung Ober- und Unter-Plänggli und kamen kurz vor der Mugiweid zu stehen.

Nur dank einem intakten und bewährten Schutzwald wurden die grossen Felsmassen aufgehalten.

 

 

 

 

……...aus der Sicht eines direkt Betroffenen

 

Der Skilift und der Ziegenstall von Kurt Zwicky blieben glücklicherweise verschont. Bei einem Augenschein traf der Berichterstatter Ziegenbesitzer Zwicky am Samstag frühmorgens beim Turnplatz in der Hinter Allmeind. Immer noch unter dem

Eindruck der Ereignisse schildert Zwicky, wie er den Felssturz selbst erlebt hat. Exakt zum Zeitpunkt des Absturzes befand er sich nämlich im Stall bei seinen Ziegen. Hier seine eindrückliche Aussagen: „ Ich bi zum Ziitpunkt vum Absturz im Gade gsii, wos tätscht hät. S isch schu e artige Chaib gsii, im Gade inne und nüd z wüsse, was iez dä passsiert. S isch uuheimli gsii, chasch mers glaube!“

 

 

 

………aus der Sicht des Berichterstatters

 

Wir schreiben den Freitag, 24. Februar 2012. Es ist kurz nach Feierabend. Die Bevölkerung von Netstal freut sich auf einen geruhsamen Abend und hat den ersten Felsniedergang vom Vortage vielleicht schon vergessen.

 

Genau um 18.30 Uhr trat genau jenes Ereignis ein, vor dem sich viele so fürchteten. Schon Tags zuvor, am Donnerstag, 23. Februar, hatten sich von den Felswänden des Wiggis, genauer gesagt bei der Plänggli-Ostwand, grössere Felsmassen losgelöst. Der Wiggis rumorte, als hätte er Bauchschmerzen. Für viele "Netschteler" wurde es eine unruhige Nacht und keiner wusste, was da noch alles passieren konnte. Die ganze Nacht hörte man das Grollen und Ächzen der Murgänge, das Rauschen der Runse und das laute Aufschlagen kleinerer und grösserer Felsbrocken am Fusse der Plänggliwand. Das alles liess für den Freitag nichts Gutes verheissen. Es war abends kurz nach halb acht und draussen war es schon längst dunkel. Plötzlich erschütterte ein lautes Donnergrollen Netstal und das Glarner Mittelland. Der Krach war bis nach Ennenda zu hören. Schnell wurde klar: Das war nicht einfach eine Lawine, wie sie um dieses Jahreszeit zu Dutzenden von der Wiggis-Ostwand hinunterstürzen. Obwohl schon über sechzig Lenze alt, hatte ich so etwas noch nie erlebt. Im ganzen Quartier stürmten die Leute nach draussen auf die Strasse, um nachzuschauen, woher der Lärm kam. „Das war keine Lawine, sondern ein Felssturz“, meinte einer meiner Nachbarn. In der Dunkelheit der Nacht konnte nichts ausgemacht werden, auch was die Schäden betraf. „Man hat gehört, wie die Bäume gleich reihenweise umgeknickt wurden“, meinte ein anderer. Weitere Felsabbrüche geschahen in der Nacht vom Freitag auf den Samstag. Gespannt wartete man deshalb auf den Samstagmorgen. Schon bei der Morgendämmerung konnte man die Abrissstelle im obersten Drittel der Plänggliwand gut erkennen. Ein riesiger Schuttkegel fand sein Ende wenige Meter vor der Mugiweid. Der Zeitpunkt war gekommen, unverzüglich die nötigen Sofortmassnahmen zu ergreifen. Behörden und Politik waren definitiv gefordert!

 

 

 Sicherheitsmassnahmen der Gemeinde

 

In einer Medienmitteilung der Gemeinde Glarus hiess es anderntags: „Die Verantwortlichen der Gemeinden und des Kantons beobachten die Situation weiter und werden bei Bedarf weitere Fachleute von Gemeinden und Kanton beiziehen. Je nach Entwicklung der Lage wird auch die Bevölkerung via Medien neu informiert."

 

Geologen und Spezialisten kümmerten sich um das Problem und meinten, der Wiggis käme schon wieder zur Ruhe. Diese angesagte Ruhe war aber von kurzer Dauer. Praktisch auf den Tag genau vier Jahre später, im Jahr 2016, ereigneten sich dieselben Ereignisse, nur einfach in noch grösseren Dimensionen. So gesehen sind Aussagen, auch wenn sie von Geologen und Spezialisten kommen, reine Spekulationen. Wir "Netschteler" leben seit jeher mit dem Wiggis zusammen in einer Symbiose und kennen seine Launen. Das hat uns gelehrt, mit ihm umzugehen und ihn zu respektieren. Wir kennen seine Gefahren und begegnen ihm in Demut. Er wird immer der Stärkere sein und uns alle - das ist so sicher wie das Amen in der Kirche - überleben, auch wenn seine Haut im Laufe der vielen Millionen von Jahren halt etwas brüchig und spröde geworden ist.