Das Jahrhundert-Unwetter 2005

Von Hans Speck

 

Von den schweren Unwettern Ende August 2005 wurde auch das Glarnerland und seine Umgebung nicht verschont. Sämtliche Feuerwehren im Kanton standen seit Tagen in permanentem hartem Einsatz und versuchten mit aller Macht und den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, den entfesselten Elementen Paroli zu bieten. Unter dem Strich kam das Glarnerland im Vergleich zu anderen Regionen in der Schweiz mit einem blauen Auge davon.

 

Chronologie der Ereignisse

 

Die Unbill der Witterung verschonte auch die Bevölkerung am Fusse des Wiggis nicht. Von Montagabend, 22. bis Mittwoch, 24. August 2005 stand die Feuerwehr Netstal im permanenten Einsatz. Die Fluten der Linth überschwemmten das Rollengut nördlich der Kalkfabrik breitflächig. Zusätzlich hatten sich die Netstaler Einsatzkräfte samt Gemeindeführungsstab am frühen Dienstagmorgen mit dem stetig steigenden Wasserpegel des Löntsch zu befassen. Vorsorglich wurden durch die Verantwortlichen Evakuationsvorbereitungen getroffen.

 

Montagabend, 22. August

Seit Montagabend 17.30 Uhr stand die Feuerwehr Netstal im Dauereinsatz, um den unglaublichen Wassermengen der überflutenden Linth und des Löntsch Herr zu werden. Für einmal waren weniger die diversen Runsen, die sich jeweils bei Unwettern von den Hängen des Wiggis ergiessen, das Hauptproblem. In der Nacht vom Montag auf den Dienstag trat die Linth bei der Kalkfabrikbrücke über die Ufer und überschwemmte den ganzen südlichen Teil des Rollenguts. Der Stall von Köbi Schnyder blieb dabei mehr oder weniger verschont. Die harte Arbeit der Feuerwehrmänner und -frauen wurde in der Nacht erleichtert durch Angehörige des Samariter-vereins, welche für die Verpflegung der Einsatzkräfte zuständig waren.

 

Dienstagmorgen, 23. August

Netstals Feuwehrkommandant Martin Lütschg informiert fühmorges den Gemeindeführungsstab über die aktuelle Situation am Löntsch und im Klöntal

Ein Bulletin der KAPO Glarus morgens um 9.29 Uhr lautete: Die Lage im Kanton hat sich in den frühen Morgen-stunden zum Teil etwas entschärft. Die Linth weist aber nach wie vor einen hohen Pegelstand auf und wird durch die Feuerwehren und den Zivilschutz überwacht. Der Pegel des "Löntsch“ in Netstal hingegen war zwischenzeitlich bedrohlich angestiegen. Dort spitzte sich die Lage im Laufe der Nacht von Montag auf Dienstag drastisch zu. Am Dienstagmorgen kurz vor 7 Uhr wurde die gesamte Feuerwehr Netstal aufgeboten. Feuerwehrkommandant Martin Lütschg veranlasste diese Massnahme, weil Meldungen aus dem Klöntal nichts Gutes verhiessen.

 

 

Mit vereinten Kräften des Zivilschutzes und der Feuerwehr versucht man, eine Überflutung der Quartiere entlang des Löntsch zu vermeiden.

 

 

Der völlig entfesselte Löntsch zwischen Riedern und Netstal. Mit Sandsäcken versuchte man, die tosenden Fluten in ihre Bahnen zu lenken.

Der Klöntalersee stieg von Stunde zu Stunde. Insgesamt flossen rund 50 m3 pro Sekunde aus dem See, während gleichzeitig ein Zulauf von rund 140 m3 pro Sekunde registriert wurde. Damit bestand akute Gefahr, dass der Wasserpegel des Löntsch im Laufe des Dienstags drastisch steigen könnte. Als wichtigste Massnahme wurden durch Angehörige der Feuerwehr Vorbereitungen für eine Evakuierung der Bewohner entlang des Flusses vorgenommen. Vorsorglich wurden die Ufer und bedrohten Stellen durch Angehörige der Feuerwehr und des Zivilschutzes mit Sandsäcken geschützt. Die Brücke bei der Kantonsstrasse beim Restaurant St. Fridolin wurde genauestens beobachtet. Der Gemeindeführungsstab unter Gemeindepräsident Hans Leuzinger beriet sich laufend in der aktuellen Situation. Eine telefonische Anfrage beim Gemeindeschreiber Max Widmer, Mitglied im Gemeindeführungsstab, kurz von 10 Uhr, bestätigte die bedrohliche Lage entlang des Löntsch. Personen kamen bis zu diesem Zeitpunkt glücklicherweise nicht zu Schaden.

 

Dienstagnachmittag, 23. August  

Die Lage im Kanton hatte sich im Laufe des Tages weitgehend entspannt. Der Pegelstand der Linth war weiter gesunken, sodass nicht mit weiteren Überschwemmungen gerechnet werden musste. Dann plötzlich wieder alarmierende Meldungen aus Netstal! Um 14.33 Uhr wurde die Evakuation der Anwohner am Bruggliweg 5-10 entlang dem "Löntsch“ aufgrund der bedrohlich anwachsenden Fluten unverzüglich angeordnet.

 

 

Noch steht der Robidog im Trockenen, doch wenige Minuten später............

 

 

...ist es auch um diesen geschehen. Der Löntsch steigt und steigt.....

Die Ufer wurden zu diesem Zeitpunkt beidseitig unterspült und die Stützmauern beim Wehr bei der Löntsch-brücke waren eingebrochen. Der Spazierweg entlang des Baches wurde an zwei Stellen einfach von den Fluten mitgerissen. Ein Pneubagger mit Greifarm war ständig darum bemüht, das angeschwemmte Holz aus dem tosenden Wildbach zu fischen. Um 18.10 Uhr dann eine weitere Meldung aus dem Klöntal: „Wasserüberlauf des Klöntalersees 44 Kubikmeter pro Sekunde plus 20 Kubikmeter Last durch die Turbinen des Kraftwerks Löntsch, Wasserspiegel 69 Zentimeter über dem Überlauf“. Eine weitere Horrormeldung kam aus dem hinteren Klöntal. Dort wurde im "Eggli“ ein Stall von einer Schlammlawine verschüttet. Die zur Zeit des Niedergangs im Hause wohnende Bauernfamilie konnte sich in letzter Minute retten. Für neun Kühe im Stall kam aber leider jede Hilfe zu spät. Aus dem benachbarten Weesen kam die Kunde, dass das schmucke Altstädtchen massiv überschwemmt wurde. Auf dem Walensee im "Gäsi“ sollen riesige Schwemmholzinseln schwimmen.

...die Arbeiten der Einsatzkräfte waren vergebens. Die Elemente waren stärker!
...die Arbeiten der Einsatzkräfte waren vergebens. Die Elemente waren stärker!

Dienstagabend, 23. August

In einer vierten Medienmitteilung der KAPO Glarus von 19.09 Uhr hiess es: „Die Situation im Löntsch in Netstal hat sich verschärft, sodass die Wohnhäuser entlang des Baches von der Kantonsstrasse her bis zur Linth Mündung evakuiert werden. Weiter werden in Riedern und Ennetbühls Evakuationen vorgenommen. Betroffen sind insgesamt achtzig Personen. Die Autobahn A3 kann durch den Kerenzerberg wieder einspurig befahren werden“.

 

Mittwochmorgen, 24. August

Von den verschiedenen Fronten kamen Entwarnungen und die beruhigende Meldung, dass die Wasserpegel bei Bächen und Flüssen zurückgingen. Die angeordneten Evakuierungen konnten somit rückgängig gemacht werden und die Feuerwehren begannen mit den Aufräum- und Retablierungsarbeiten. Wettermacher Petrus schien sich seiner Reputation bewusst und liess nach Tagen der Sintflut endlich wieder einmal die Sonne scheinen. Sämtliche Feuerwehren im Kanton konnten nach tagelangem hartem Kampf gegen das entfesselte Element wieder in ihre Depots zurückkehren.

 

Der Dank der Bevölkerung

Im Anschluss an den mehrtägigen Grosseinsatz der Feuerwehr Netstal erhielt die Einsatzleitung unter Kommandant Martin Lütschg den grossen und uneingeschränkten Dank der Netstaler Bevölkerung. Dank der hervorragenden Zusammenarbeit mit dem Zivilschutz, dem Samariterverein und den vielen freiwilligen Helfern konnte der Schaden in Grenzen gehalten und viel Unheil in unserem Dorf abgewendet werden.