René Botteron

Von Kurt Meyer

Der am 17. Oktober 1954 geborene René Botteron wuchs in Netstal auf. Heute lebt er mit seiner Frau in Riehen bei Basel.
Der am 17. Oktober 1954 geborene René Botteron wuchs in Netstal auf. Heute lebt er mit seiner Frau in Riehen bei Basel.

 

Neulich suchte ich nach etwas in meinem Büchergestell. Dabei stiess ich auf die Abschlussarbeit eines Schülers der Glarner Sportschule. Zu seinem Thema schrieb er über drei Glarner Fussballprofis. Der erfolgreichste von ihnen war René Botteron, der in Netstal aufgewachsen ist. Zu ihm habe ich eine ganz besondere Beziehung, denn als ich beim FC Glarus Junioren-Trainer war, spielte René bei den C-Junioren, die ich trainierte. Er war damals schon in jeder Beziehung ein auffälliger Spieler: technisch überdurchschnittlich, läuferisch sehr schnell und flink, spielerisch hervorragend. Am meisten imponierte mir aber sein Charakter: keine Allüren, bescheiden, immer freundlich und fair, ausgesprochen mannschaftsdienlich und spielfreudig. Seine Freude am Fussballspielen war immer ersichtlich, wenn er zuhause einen Besuch machte, auch als er schon in der ersten Mannschaft des FC Zürich spielte. Hinter der Wohnung seiner Eltern, wo heute ein schöner Kinderspielplatz ist, gab es damals nur eine Wiese. Auf dieser spielte René schon während seiner Schulzeit täglich. Als bekannter Fussball-Star sah man ihn, den Profi, bei seinen Besuchen in Netstal inmitten von Knaben und Mädchen einem Ball nachrennen. Diese Freude am Spielen ist ihm während seiner ganzen Zeit als Fussballer geblieben.

 

Zwei Episoden aus meiner Trainerzeit beim FC Glarus sind mir in Erinnerung geblieben. An einem Zusammenzug der besten Junioren wurden diese auf ihre technischen Fertigkeiten geprüft. Jeder musste den Ball jonglieren und hatte dafür drei Versuche. Die Anzahl der meisten Ballberührungen pro Versuch, ohne dass der Ball zu Boden fiel, wurde notiert. Als alle anderen Teilnehmer ihre drei Versuche schon hinter sich hatten, jonglierte René immer noch im ersten Versuch. Diesen musste er aus Zeitgründen abbrechen, denn die Anzahl der

Berührungen hatte 700 überschritten. Die zweite Geschichte spielte in St. Gallen an einem C-Junioren-Finalturnier. Wir standen im Endspiel gegen die Junioren des FC Brühl. Beim Stande von 1:1 wollte einer meiner Verteidiger den Ball zum Torhüter zurückspielen. Leider stand dieser gleich hinter ihm, so dass der Rückpass ins eigene Tor rollte. René war der erste, der den am Boden liegenden Torschützen aufstellte und ihn damit tröstete, dass alle versuchen würden, das Spiel noch zu drehen. Leider hat es nicht gereicht. Nach dem Spiel

kam der Trainer des FC St. Gallen zu mir und fragte nach dem Namen der Nummer 9 bei uns. René trug diese. Ich nannte dem Trainer den Namen und fügte bei, dass man von ihm noch hören werde. Ich sollte Recht behalten.

 

René Botteron kam 1973 vom FC Glarus zum FC Zürich und wurde mit ihm dreimal Schweizer Fussball-Meister. 1976 gewann er mit dem FCZ das Double.
René Botteron kam 1973 vom FC Glarus zum FC Zürich und wurde mit ihm dreimal Schweizer Fussball-Meister. 1976 gewann er mit dem FCZ das Double.

Mit 19 Jahren debütierte René in der ersten Mannschaft des FC Zürich. Im Zürcherdress wurde René in sieben Jahren dreimal Schweizer Fussball-Meister, 1976 gewann er sogar das Double. Legendär ist der Schlachtruf, mit dem seine Fans ihn empfingen und unterstützten: Bo Bo Botteron! Er war der umjubelte Star bei den Zürchern, weil er mit seinen Sturmläufen, den eleganten Dribblings und dem letzten entscheidenden Pass immer wieder zu begeistern wusste. Er war kein Goalgetter, sondern verstand es immer wieder, schon als Junior, seine Mitspieler so einzusetzen, dass sie zum Torschuss kamen. Oft konnte er nur durch ein Foul gebremst werden. Doch beschwerte er sich kaum beim Schiedsrichter, stand sofort auf, nachdem er gelegt wurde und spielte weiter. Deswegen war er bei den Fans, den Mitspielern, den Schiedsrichtern und den Gegner respektiert und beliebt. Seine Leistungen blieben dem Trainer der Schweizer Nationalmannschaft nicht verborgen und ein Aufgebot war die Folge. Er spielte 65 Mal im Nationaldress. Mehrere Male lief er sogar als Kapitän der

Schweizer auf.

 

René Botteron (vordere Reihe, Mitte) spielt als erster Schweizer in einem Europacup-Finale. Mit Standard Lüttich verliert er dieses gegen Barcelona mit 2:1
René Botteron (vordere Reihe, Mitte) spielt als erster Schweizer in einem Europacup-Finale. Mit Standard Lüttich verliert er dieses gegen Barcelona mit 2:1
René Botteron im Laufduell mit Alexanco im Europacup-Finale in Barcelona
René Botteron im Laufduell mit Alexanco im Europacup-Finale in Barcelona

Im Jahre 1980 zog es René in die Bundesliga zum 1. FC Köln, der in finanzieller Hinsicht den FC Zürich überbieten konnte. Rinus Michel, der Trainer von Köln, setzte ihn in der ersten Saison als Stammspieler ein. Doch in der zweiten Saison bevorzugte er andere Spieler und liess René auf der Reservebank. Von Weihnachten 1981 an wurde er an Standard Lüttich ausgeliehen.

Mit dieser Mannschaft wurde er belgischer Meister und stiess mit ihr bis ins Finale im Europacup der Cupsieger vor. Dieses Spiel ging aber gegen Barcelona 2 : 1 verloren. Die Belgier hatten das Geld nicht, um René definitiv zu verpflichten. So kam er wieder zurück in die Bundesliga. Weil ihm Köln keinen Vertrag geben wollte, ging er zum 1. FC Nürnberg. Ausgerechnet im Spiel gegen Köln, gegen den Trainer, der ihn auf die Bank gesetzt hatte, zeigte René, was in ihm steckte. Der "Kicker", die renommierteste Fussball-Zeitschrift in Deutschland wählte ihn zum "Mann des Tages" und schrieb nach dem 2:1 Sieg der Nürnberger über Köln: “Der Tag, an dem René Botteron seinen Einkauf in Nürnberg rechtfertigte! Er war überall zu finden. Er trieb die Franken vorwärts. Er schlug Riesenpässe. Er gab die Vorlagen zu beiden Toren. Sein stärkstes Spiel! Er zeigte es Michels!” In Interviews äusserten sich auch seine Mitspieler immer wieder lobend über René. So meinte Werner Heck: "Der René ist der einzige, der uns Stürmer mit guten Vorlagen versorgt!" Reinhold Hintermaier, ebenfalls ein Mannschaftskollege beim 1. FC Nürnberg, sagte einmal: "René ist menschlich ein feiner Kerl. Ich bin jedenfalls froh, dass er da ist."

 

René Botteron als Kapitän der Nationalmannschaft tauscht mit dem britischen Kapitän im St. Jakobstadion die Wimpel aus. Dieses WM Ausscheidungsspiel gewannen die Schweizer am 30. Mai 1981 2:1
René Botteron als Kapitän der Nationalmannschaft tauscht mit dem britischen Kapitän im St. Jakobstadion die Wimpel aus. Dieses WM Ausscheidungsspiel gewannen die Schweizer am 30. Mai 1981 2:1

 

Einzig den Schweizer Nationaltrainer Paul Wolfisberg schien die Kunde von der guten Form von René nicht erreicht zu haben, denn er verbannte den Kapitän der Nationalmannschaft 1983 aus dem Kader, ohne vorher

mit ihm gesprochen zu haben. René musste seine Nichtberücksichtigung aus den Medien erfahren.

 

In über 70 Spielen der deutschen Bundesliga stand René im Einsatz. Zuerst beim 1. FC Köln, nachher beim 1. FC Nürnberg. 1982 war er sogar Weltauswahl-Spieler.
In über 70 Spielen der deutschen Bundesliga stand René im Einsatz. Zuerst beim 1. FC Köln, nachher beim 1. FC Nürnberg. 1982 war er sogar Weltauswahl-Spieler.

 

Auch in der Bundesliga lief es nicht gut. Gegen den Willen des Trainers Udo Klug vom 1. FC Nürnberg wurde René zu Beginn der Saison 1983 an den FC Basel abgegeben. Am Ende der Saison stellte sich heraus, dass der Vereins-Manager schon einen anderen Ausländer verpflichtet gehabt hatte, sodass René überzählig gewesen wäre.

René Botteron am 12. März 1986, wieder mit der Nationalmannschaft, in Bern gegen die Türkei. Das Spiel ging 0:1 verloren.
René Botteron am 12. März 1986, wieder mit der Nationalmannschaft, in Bern gegen die Türkei. Das Spiel ging 0:1 verloren.
René Botteron spielte von 1983 bis 1987 beim FC Basel
René Botteron spielte von 1983 bis 1987 beim FC Basel

 

Der neue Nationaltrainer Daniel Jeandupeux berief ihn wieder in die Nationalmannschaft. Beim FC Basel spielte er noch vier Jahre, wurde aber immer wieder von Verletzungen geplagt und musste wegen einer Knieverletzung 1987 seine Fussball-Karriere sogar beenden. Nach seiner Zeit als Fussballer fand er eine Anstellung bei einer Bank.

 

 

Als es für René nicht so gut lief, antwortete er einmal auf die Frage eines deutschen Reporters, wie er es verkraftet habe, vom umjubelten Star in Zürich zum herumgeschobenen Fussball-Profi im Ausland zu werden: “In den erfolgreichen Jahren habe ich immer versucht, der gleiche zu bleiben, der ich immer war. Das versuche ich auch jetzt.” Dass er noch gleich geblieben ist, davon konnte ich mich anlässlich der Präsentation dieser eingangs erwähnten Abschlussarbeiten an der Sportschule 2011 selber überzeugen. Weil René mich als wichtige Bezugsperson im Juniorenalter angegeben hatte, war ich zu dieser Veranstaltung eingeladen worden. Es freute mich, dass René mich erwähnt hatte, und ich fühlte mich ein bisschen geehrt. Dass René den Weg von Basel nach Netstal für diese Präsentation auf sich genommen hatte, freute mich nochmals. Als ich mit ihm ein

paar Erinnerungen austauschte und hörte, was er auf die Fragen der Sportschüler antwortete, merkte ich, dass er mit seinem Leben und dem Erreichten zufrieden ist.