Jost Spälti, 1780 - 1865 Hotel London, St. Petersburg, um 1901
Glarner wandern aus
Schon im Mittelalter gab es immer wieder Leute aus unserem Tal, die in die Welt hinauszogen, um in der Fremde ein Auskommen zu finden. Zuerst waren es die Reisläufer, die für fremde Herren in den Krieg zogen und später die Viehhändler, die mit ihren Tieren über die Alpenpässe in den Süden zogen, um sie da zu verkaufen. Anfangs des 19. Jahrhunderts kam mit der Industrialisierung in unserem Kanton der Handel mit fremden Ländern in Schwung. Die Netstaler Familien Weber, Leuzinger und Kubli hatten gute Beziehungen zu Russland aufgebaut und betrieben dort auch Geschäfte.
Kindheit
Jost Spälti erblickte 1780 das Licht der Welt und wuchs in einer mehrköpfigen Familie auf. Er musste schon im Kindesalter in der Heimspinnerei arbeiten und neben dem Baumwollspinnen seinem Vater beim Wildheuen helfen. Da blieb keine Zeit für die Schule. Lesen brachte sich Jost an den freien Sonntagen zuhause selbst bei. Als junger Erwachsener leistete er gegen die Franzosen Militärdienst.
Jost Spälti in St. Petersburg
Der Grund, warum Spälti nach St. Petersburg auswanderte, ist nicht bekannt. Gesichert ist, dass er sich 1803 dort aufhielt. Eine Familie Weber aus Netstal war insbesondere in St. Petersburg erfolgreich gewesen. Die guten Beziehungen zu dieser Familie öffneten Jost Spelty dort manche Türe. Der Name Spälti war von Jost - wahrscheinlich wegen besserer Lesbarkeit im Russischen - in Spelty geändert worden.
Die Webers besassen in St. Petersburg einige Immobilien, darunter auch das Hotel "London", welches das erste Haus am Platz war. Ein weiterer Netstaler, namens Kubly-Müller, wusste zu berichten, dass Spälti der Verwalter dieses Hauses war und auch zuständig für die Vermietung der anderen Wohnungen und Häuser. 1810 heiratete Jost Spälti Christina Linden aus Wyborg. Sie schenkte ihm zwischen 1813 und 1828 zehn Kinder.
Schon um 1820 spielte Jost offenbar mit dem Gedanken, nach Netstal zurückzukehren, denn er kaufte seinem älteren Bruder Johann Jakob Spälti am 24. August 1820 ein neugebautes Haus in Netstal ab.
Zurück in Netstal
Im Oktober 1823 kehrte die ganze Familie Spälti in ihr Haus nach Netstal zurück. Jost nannte das Haus, in dem er eine Wirtschaft und einen Laden betrieb, in Anlehnung an seine frühere Tätigkeit in St. Petersburg "London", im Volksmund "Lunde" genannt. So heisst es auch heute noch.
Schnell war Jost Spälti wieder in Netstal zuhause und bekleidete Ämter in der Evangelischen Hilfsgesellschaft Glarus, war Kirchenrat und sogar Kirchenvogt. Den Unterhalt der Familie bestritt er einerseits mit seinem Wirtshaus und dem Spezerei-Laden in der "Lunde". Einträglicher muss aber der Handel mit Immobilien und die Beteiligung an der Druckerei "In der Herren" in Schwanden gewesen sein. Dort arbeitete sein Sohn Alexander, der 1836 die Tochter des Fabrikbesitzers, Verena Tschudi, heiratete. Einen Gulden pro Tag verdiente Jost Spälti, als er die Aufsicht der Baustelle beim Schulhausbau 1838 in Netstal übernahm. Dies war ein guter Verdienst während der Bauzeit von 152 Tagen. Ein Stoffdrucker verdiente damals im Jahr 200 Gulden.
Jost Spälti hatte auch einige trübe und traurige Ereignisse zu verkraften, erreichten doch nur drei seiner zehn Kinder das Erwachsenalter: die Tochter Maria, die sich Mischa nannte und die beiden Söhne Alexander und Fritz. Alle andern starben durch frühen Kindstod, durch Unfälle oder Krankheiten. Im August 1849 verstarb auch seine Frau Christina Linden.
Bis zum Tod von Jost Spälti (1865) kümmerte sich seine Tochter Mischa um den Haushalt ihres Vaters. Sein Sohn Alexander war noch ein Jahr vor ihm gestorben.
Quelle: Buch von Mathias Jenny: "Ausgewandert, um zu Hause anzukommen", erschienen 2021 im Verlag Baeschlin, Glarus
Link zur Beschreibung der "Lunde"