Klosterschule zum Zweiten

Von Hans Speck

 

In meinem Beitrag „Klosterschule zum ersten“ habe ich den Leserinnen und Lesern unseren Gesangslehrer Pater Virgil, alias Habi, vorgestellt und charakterisiert. In der Tat stand dieser häufig im Zentrum unseres Interesses, und es verging beinahe kein Tag, ohne dass man vom Habi nicht irgendetwas erfuhr, sei es im Zusammenhang mit dem Schulbetrieb oder seiner Funktion als Singlehrer und Organist. Pater Virgil war ein liebenswürdiger, herzensguter, zuweilen etwas allzu konservativer Geistlicher im Orden der Kapuziner. Er war zudem ein sehr musischer Mensch und seine Passion war die Musik. Ob liturgische Literatur oder klassische Musik, Habi war ein Meister seines Fachs und beherrschte zahlreiche Partituren. Deshalb war es nicht verwunderlich, dass er während vielen Jahren als versierter Organist in der Klosterkirche Mariaburg amtete. Einmal standen wir vor einer Gesangsprüfung im Singsaal im neuen Schulhaus am Fusse des Burghügels:

 

Falsche Töne ärgern den Gesangslehrer

Nun hatte sich bereits im ersten Schuljahr so etwas wie eine Gang gebildet. Diese bestand aus dem Turi und dem Walti von Weesen, dem Hans aus Niederurnen und meiner Wenigkeit. So kam der Tag der Singprüfung mit Habi als Notengeber. Wie und warum Pater Virgil zu seinem Übernamen „Habi“ kam, konnte mir bis heute niemand beantworten. Ich vermute, dass Habi die Abkürzung des hebräischen Namens Habakuk war. Habakuk heisst ein biblischer Prophet. «Haba» in Arabisch heisst Liebe, und da kommen wir unserem Habi schon wieder näher. Pater Virgil war ein lieber und verständnisvoller Lehrer. Hinter seiner rauen Schale versteckte sich ein hochsensibler Mensch. Und trotzdem war er für uns Schüler eine Reizfigur, den wir gerne auf die Palme brachten.

Zurück zur Singprüfung, die aber noch eine kleine Vorgeschichte hatte. Wir vier Prüflinge vereinbarten, dass wir absichtlich falsch singen werden. Am Prüfungstag meldeten wir uns auf der Bühne im Singsaal zum Examen. Habi nahm seine Stimmgabel und schlug diese auf sein Knie «Laaah» tönte es aus seinem Munde. Turi war der erste, der rangehen musste. «Laaah» tönte es aus seinem Munde, nur leider in einer völlig anderen Tonhöhe. Habi wiederholte sein Prozedere mit der Stimmgabel zwei, drei Mal und ging, als alles nichts fruchtete, kopfschüttelnd zum Kumpel Walti über. Wieder die Stimmgabel von Habi: «Laaah». Und wiederum tönte es schrecklich falsch aus Waltis Mund. Nun wurden Habis sonst schon kleine Äuglein schmal und schmäler. «Gemeini Chaibä», tönte es aus geistlichem Munde. Als nächster kam ich an die Reihe. Wieder das gleiche Prozedere: «Laaah». Ich ebenfalls «Laaah», aber natürlich in total falscher Tonhöhe. Das reichte dem Habi und völlig entnervt brauste er mich an: «Späck, gang usä, aber zerscht chontsch no uff d Schnörre über». Wutentbrannt schlug der Habi auf mich ein. Ich schützte mein Gesicht vor den Schlägen unseres Gesanglehrers mit einer Doppeldeckung. Die Gesangsprüfung wurde daraufhin von Habi abgebrochen. Jetzt kann man sich ja ausrechnen, wie meine Gesangs-Note im nächsten Zeugnis aussah.

 

 

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