Gefährliche Schlatthöhle

Von Hans Speck

 

Ein Ereignis aus meiner Jugendzeit, das fast in einer Katstrophe geendet hätte, wird mir zeitlebens in Erinnerung bleiben. Der Schlatt oberhalb Netstal war für uns Buben ein kleines Paradies. Dort konnten wir uns fernab der elterlichen Aufsicht richtig austoben. Der auch im Hochsommer eiskalte Wässer führende Schlattbach, den wir stundenlang an geeigneten Stellen mit Steinen, Kies und Schlamm zu kleinen Seen stauten, sorgte in den heissen Sommertagen für genügend Abkühlung. Diese kleinen Seen waren für uns Ersatz für die Badi, die es damals in Netstal noch nicht gab und bei den Netstaler Behörden vorerst nicht einmal zur Diskussion stand. Einzig Glarus hatte damals ein Schwimmbad, wobei wir unsere selbstgebaute Schlattbach-Badi in Gottes freier Natur natürlich jener von Glarus vorzogen.

Nebst dem Schlattbach waren aber auch die Höhlen auf dem Hinter-Schlatt, von deren Existenz nur einige wenige von uns wussten, ein weiterer Anziehungspunkt.

 

Gefährliche Schlatt-Höhlen

Um den Einstieg in die Hinter Schlatt-Höhle zu finden, musste man genau wissen, wo dieser lag. Die Öffnung des Höhleneingangs war gerade mal für einen Schmalwurf wie ich es damals war gross genug. Da hätte ich heute definitiv grössere Probleme. Unser lieber Schulfreund und kleiner Fettwanst Paul musste da leider passen. Aufgrund seiner schon damals beachtlichen Körperfülle hatte er keine Chance, mit uns in die Höhle zu steigen. So blieb er einfach draussen und überwachte unsere Höhlenforscheraktion. Die ersten drei Meter der Höhle mussten zwei Schulfreunde und ich kriechend hinter uns bringen. Dann öffnete sich ein quadratischer Hohlraum von zirka 4 x 4 Meter und mit einer Höhe von rund 2 Metern. Gleich im Anschluss teilte sich die Höhle in zwei Gänge, die wir aber nie weiter auskundschafteten, weil wir schlichtweg Angst davor hatten, noch weiter in die für uns unbekannte Welt vorzustossen. Zurecht, wie wir kurz nach dem Erreichen der Felsenkammer mit Schrecken feststellen mussten. Hinter uns fielen plötzlich kleinere Felsbrocken herunter und drohten uns den Ausgang zu versperren. So schnell als möglich krabbelten wir aus der Gefahrenzone zum Höhleneingang, wo uns Paul erwartete. Dieser hatte vom Vorfall überhaupt nichts mitbekommen. Froh, dass wir drei das Tageslicht unbeschadet erreicht hatten, entfernten wir uns vom Ort des Schreckens. Vorher aber versprachen wir uns gegenseitig, ja nichts unseren besorgten Eltern zu erzählen. Das wäre wohl vor allem bei meinem Vater nicht so gut angekommen.

 

Ironie des Schicksals 

Ironie des Schicksals: Viele Jahre später kam es tatsächlich in der gleichen Höhle auf dem Schlatt leider zu einem sehr tragischen Unglück mit Todesfolge. Ein Primarschüler und seine Kollegen hatten von dieser Höhle auf dem Schlatt Wind bekommen. Gemeinsam mit seinen Kollegen wollte Niggi  – genau wie wir drei damals – in die Schlatthöhle steigen. Es kam zum Einsturz eines Teils der Höhle, bei dem der bedauernswerte Netstaler Schüler sein noch junges Leben lassen musste. Die Höhle wurde meines Wissens daraufhin zugeschüttet. Erst nach diesem tragischen Ereignis wurde mir bewusst, was für ein Riesenglück wir damals gehabt hatten.

 

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