Deal für eine Glace

Von Hans Speck

 

Der Platz auf der Nordseite der katholischen Kirche war während meiner Kinder- und Jugendzeit beliebter Spiel- und Tummelplatz. Praktisch in jeder freien Minute fanden sich meine Freunde Urs 1, Urs 2, Hans Jakob, Fred und Vinzenz auf diesem Platz ein, um gemeinsam unsere Freizeit, von der wir jede Menge hatten, beim „Tschutten“ oder beim „Schiitlispiel“, „Ausfangis“ oder „Versteggis“ zu verbringen. Besonders beliebt war bei uns das „Lüütispiel“, jedenfalls so lange, bis genervte Nachbarn, die uns bei unseren Streichen beobachtet hatten, uns bei den Eltern denunzierten. Die Kreativität unserer Streiche war in dieser Zeit in der Tat unerreicht. Nebst dem Fussballspielen malträtierten wir die Bäume im kirchlichen Garten, was unseren lieben Pfarrer Barmettler in Rage brachte. Beim Fussballspielen nervte sich nebst anderen Nachbarn auch die liebe Frau Läderach, Mutter des Firmengründers des heutigen Schokoladen-Grosskonzerns Läderach. „Buebä, wenn ihr uufhöred tschüttäle, chänd ihr jede äs Glace über.“ Diesem verlockenden Angebot konnte natürlich keiner von uns widerstehen, zumal wir ja wussten, dass die Läderach-Glaces legendär waren und zudem ausgezeichnet schmeckten. "Ja, Frau Läderach", tönte es wie aus einem Munde. Der Deal mit den Glaces war perfekt und Frau Läderach hielt Wort. Nach unserem hochheiligen Versprechen, an einem anderen Ort Fussball zu spielen, kehrte Frau Läderach nach kurzer Zeit aus ihrem Laden zurück, in ihren beiden Händen vorzüglich nach Himbeeren, Vanille und Erdbeeren schmeckende Glaces. Während wir Schleckmäuler mit Glace ausgerüstet vorübergehend den Ort des Geschehens verliessen, kehrte Frau Läderach schmunzeln zurück in ihren Laden, wohlwissend, dass sie mit ihren feinen Glaces uns Lausbuben überlistet hatte.

Doch wer jetzt meint, die Geschichte sei damit zu Ende, sieht sich getäuscht. Denn kaum hatten wir die Glaces genossen und vertilgt, ging das Spiel, nämlich das Fussballspiel, wieder weiter wie zuvor, und zwar wiederum direkt vor dem Laden der Bäckerei und Konditorei Läderach. In der Meinung, Frau Läderach mache nochmals einen Versuch, uns mit Glaces vom „tschüttäle“ abzuhalten, sahen wir uns schwer getäuscht. Natürlich hatte die Bäckersfrau unserer Absichten durchschaut und so liess sie es zu, dass wir auf dem Kirchenplatz weiter Fussball spielten. An was ich mich bestens und gerne erinnere, sind die unerreicht feinen Läderach-Glaces – ich habe nie mehr bessere Glaces gegessen - und das mütterliche Lächeln von Frau Läderach, die fortan unser lärmiges Treiben auf dem Kirchenplatz tolerierte und auf ihre erfolglosen Bestechungsversuche verzichtete, sehr zum Leidwesen von uns Lausbuben.

 

 

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