Geschichten aus der Jugendzeit

"Chlepfer" mit Zündschnur

von Hans Speck

 

Die älteren Netstaler Semester erinnern sich bestimmt noch gut an das kleine Lädeli an der Hauptstrasse beim Hotel Schwert. „Eisenwaren, Haushaltartikel“ war von weitem auf einer Werbetafel oberhalb der Eingangstüre zu lesen. Ein kurzer Klingelton beim Eintreten weckte das Interesse von Frau Böni, Besitzerin des Verkaufsladens. Die freundliche Frau hinter dem Tresen empfing ihre Kunden stets mit einem breiten, freundlichen Lächeln. Vor allem wir Lausbuben waren von der Freundlichkeit und Gutmütigkeit dieser netten Dame angetan. Aber gerade diese Gutmütigkeit wurde von uns Knirpsen schamlos ausgenutzt. Nachfolgend die kleine amüsante Story, in der meine Freunde Urs, der Poulet-Frigg und der „Schäschägg“ (Hansjakob) und selbstredend natürlich ich die Hauptrollen spielten.

 

Es war wenige Tage vor dem Schweizer Nationalfeiertag. Mit grosser Vorfreude auf dieses Fest und in Erinnerung an die alten Eidgenossen bereiteten wir Buben uns auf diesen Tag vor. Zu einer rechten Bundesfeier gehörte nebst der obligaten Rede eines Servelat-Prominenten, den Barrenübungen des Turnvereins und den Gesangsvorträgen des Jodelklubs Glärnisch auch ein zünftiges Feuerwerk, bei uns Jungs natürlich der spannendste Moment, auf den wir kaum warten konnten. Unsere Ungeduld zeigte sich darin, dass wir schon wenige Tage vor dem 1. August den grössten Teil unseres Feuerwerks im wahrsten Sinne des Wortes verpulverten. Bei uns verkappten "Pyrotechnikern“ sehr beliebt waren die 5-er, 10-er und 20-er-Chlepfer sowie die bodennahen, herumschwirrenden Frösche und die heulenden Schwärmer, die im Lädeli von Frau Böni von uns Buben gekauft werden konnten. Allerdings war das in Anbetracht unseres Alters zwischen sieben und zehn Jahren ein relativ schwieriges Unterfangen, denn Frau Böni bestand konsequent in ihrer Aussage, so kleinen Buben sollte man die nicht ungefährlichen Chlepfer ja nicht verkaufen, vor allem dann nicht, wenn diese von uns Jungs auch noch mit vorgestrecktem Arm in der rechten Hand abgefeuert wurden. Es brauchte deshalb all unsere Überredungskünste, Frau Böni trotzdem dazu zu bewegen, uns diese Knallbonbons zu verkaufen. „Aber nu, wänn ihr Luusbuebä de Chlepfer nüd i de Hüserä innä ablünd“, war ihr letztes Angebot, dem wir vermeintlich zähneknirschend zustimmten. Denn kaum den Laden verlassen, bastelten wir die Chlepfer zu einem Dreierpaket zusammen, verbanden die Zündschnüre und präparierten diese so, dass sie analog einem Zeitzünder nicht zu schnell abbrannten. Damit hatten wir genügend Zeit, uns mit Sicht auf den Ladeneingang zu verstecken. Der Schnellste von uns setzte den Zünder in Brand und rannte in Deckung. Mit einem gewaltigen Knall explodierte das hochexplosive Dreierpaket. Ein Glück, dass Frau Böni unsere Lausbubenstreiche schadlos all die Jahre überstanden hat, obwohl die liebe Frau dieselbe Prozedur alljährlich über sich ergehen lassen musste, bis zu jenem Zeitpunkt, als wir aus dem Chlepfer-Zeitalter herausgewachsen waren.

 

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