Von Hans Speck
Unser Protagonist, von dem in dieser Geschichte die Rede ist, hiess Josef Weber. Ich weiss nur noch, dass der Sepp an der Kreuzbühlstrasse in der Nähe der Zwirnerei Ruess so etwas wie eine Werkstatt hatte, wo er auch Holz verarbeitete. Man kannte den Sepp auch unter dem Namen « Chetti Sepp» oder «Haltegüetler», ein Hinweis auf das Haltengut zwischen Netstal und Mollis, wo der kleine Mann mit dem mürrischen Blick seinen Ursprung hatte. Ich mag mich auch noch erinnern, dass wir Kinder ihn unter der Bezeichnung «d’Chetti uusghängt» kannten. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass zwischen dem Namen «Chetti Sepp» und «d’Chetti uusghängt» ein Zusammenhang besteht. Sepp war viel mit dem Velo und einem Anhänger unterwegs. Jahre später kaufte er sich ein Kleinmotorrrad, von uns auch «Pfupferli» genannt. Die nachstehende Geschichte wurde mir von einer absolut glaubwürdigen Person zugetragen und soll wirklich so passiert sein.
Es war am ersten Sonntag im Mai vor vielen Jahren und traditionsgemäss fand auch die Glarner Landsgemeinde statt. Für unseren Protagonisten war es eine Selbstverständlichkeit, seinen Bürgerpflichten nachzukommen und später im Ring auf dem Zaunplatz zu mindern und zu mehren. So fuhr der «Chetti Sepp» schon frühmorgens mit seinem «Pfupferli» nach Glarus, in der hehren Absicht, erst den Einzug mitzuverfolgen und nachher im Ring sich in jene Ecke zu stellen, wo immer die Netstaler waren. Doch es kam völlig anders. Da die Landsgemeinde erst um 9.30 Uhr begann, hatte der liebe Sepp noch etwas Zeit, um noch einen zu genehmigen. Und so kam es, wie es kommen musste. In einem Restaurant in der Abläsch wurde aus einem ersten Kaffee Lutz ein zweiter, und da zusätzlich noch gute Freunde anwesend waren, die sich ebenfalls vor den stundenlangen Verhandlungen auf dem Ring noch stärkten, verging die Zeit im Fluge. Mittlerweile hatte der Sepp die Landsgemeinde vergessen. So verging Stunde um Stunde und Sepps Alkoholpegel erreichte bis Mittag einen Höchststand. Am späteren Nachmittag war es dann genug für unseren Sepp und er machte sich mit seinem Pfupferli auf den Heimweg. Ein Heimweg, der es im wahrsten Sinne des Wortes in sich hatte und für den der Sepp die ganze Strassenbreite brauchte. Man sah das Unheil im Voraus kommen. Zwischen Glarus und Netstal wurde der Chetti Sepp von einem Autofahrer angefahren. Unverzüglich hielt der Autofahrer mit Zürcher Kontrollschild an und kümmerte sich sofort um den gestürzten Sepp. Ob er sich verletzt habe, wollte der Zürcher wissen. Völlig überraschend erklärte ihm der immer noch auf dem Boden sitzende Sepp: «Nenei, ich wär sowieso gad umkiet». Kopfschüttelnd und ziemlich irritiert stieg der besorgte Zürcher in sein Auto, nicht bevor er sich nochmals überzeugt hatte, dass sich der Netstaler wirklich nicht verletzt hatte. Irgendwie schaffte es unser Protagonist schwer schwankend, aber ohne weitere Zwischenfälle, nach Hause zu fahren. Fazit der Geschichte: Ein weiterer Zürcher konnte sich davon überzeugen, dass die Glarner wirklich hart im Nehmen sind!