von Hans Speck
Unser Protagonist hiess Joseph Weber und wohnte damals in einem markanten, allerdings baufälligen Wohnhaus, welches von den Einheimischen liebevoll “Villa Hebdifescht“ betitelt wurde. Das Haus stand zwischen der heutigen Mattstrasse und dem Leuzingenweg, in etwa dort, wo jetzt die Häuserblöcke stehen. Sepp war ein kleiner, eher untersetzter Mann. Er lebte zeitlebens unauffällig und zurückgezogen in seiner „Abbruch-Hütte“ und tat keinem Menschen etwas zu Leide. Wann, wie und warum Sepp zu seinem nicht unbedingt vorteilhaften Übernamen “Drägg Sepp“ kam, darüber konnte mir bis dato niemand Auskunft geben. Vielleicht liegt die Begründung in der Tatsache, dass sich die Körperpflege der Gesellschaft von damals eher auf das Notwendigste beschränkte: zwei- bis dreimal pro Woche sich mit meistens eiskaltem Wasser waschen, je nach Lust und Laune. Damals kannte man weder Body-Lotion, Rasierwasser noch Antirunzeln-Créme. Es gab weder Badewannen noch Duschkabinen. Man wusch sich ganz einfach in einem runden Blechzuber, im “Ferggel“ in der Küche oder notfalls sogar beim Brunnen vor dem Hause. Warmwasser war damals absoluter Luxus und nur den besser Betuchten vorbehalten. Ob der Übername „Drägg Sepp“ eventuell mit dem „Reinigungsfimmel“ unseres Protagonisten zu tun hatte? Niemand weiss es! Mein Götti Chäpp Schmuckli hatte in Bezug auf Körperpflege seine eigene, differenzierte Meinung: „Z’viel wäsche macht chrangg!“, beantwortetet er einmal eine entsprechende Frage seines Göttibuben. Vielleicht hatten die beiden Originale irgendwann einmal eine bilaterale Besprechung zu diesem Thema.
Mischt im Huet!
Täglich latschte der “Drägg Sepp“ mit einer kleinen Milchkanne auf dem Rücken zu seinem Vieh im Stall im “Rietacker“. Dieses Wiesland wurde später von Fritz Michel am Kirchweg gekauft und bewirtschaftet. Wahrscheinlich verkaufte Sepp in seinem Umfeld etwas von der Milch seiner drei Kühe. Sein obligatorisch getragener grüner Filzhut war ursprünglich einmal ein Jägerhut gewesen, welcher in all den Jahren gänzlich aus der Form geraten war. Und genau dieser Hut hatte es den Lausbuben aus dem Dorf angetan. Diese wussten genau, dass der „Drägg Sepp“ jeweils routinemässig seine Kopfbedeckung beim Betreten des Stalles an einen Nagel an einem Balken beim Stalleingang aufhängte. Eines Tages bestrichen einige dieser Lausejungen den Hut von Sepp auf der Innenseite mit Kuhmist und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Es geschah, was geschehen musste. Sepp kam aus dem Stall und setzte den mit reichlich Kuhmist gefüllten Hut auf seinen Kopf. Einer, der mit dabei war, beschreibt die Sache: „Die nicht ganz jugendfreien Kraftausdrücke und den dabei aufgeführten Tanz nach der jugendlichen Missetat konnten wir live miterleben und der Leser kann sich selbst ein Bild ausmalen, was sich uns Buben damals präsentierte“, so die Schilderungen von Fritz Michel junior. Anderntags setzte der Sepp seinen immer noch nach Kuhmist stinkenden Filzhut wieder auf seinen Kopf, als wäre nichts geschehen. So war er eben, unser “Drägg Sepp“. Vielleicht äusserlich nicht immer der Sauberste, dafür in seinem Innenleben lupenrein und glasklar!
Als der “Drägg Sepp“ später seinen Beruf als Bauer aufgab, verkaufte er seine zwei Kühe und Rinder dem Viehhändler Disch aus Mitlödi. Nachdem sich die beiden handelseinig geworden waren, brachte Disch den geforderten Betrag zu einem späteren Zeitpunkt höchstpersönlich nach Netstal an Sepps Wohnort im “Leuzigen“. Bei der Übergabe zählte der Mitlöder Viehhändler das vereinbarte Geld in Hunderternoten sehr langsam, eine nach der anderen, auf den Stubentisch von Sepp und zählte dabei laut: Siebzehn – achtzehn –neunzehn…! Daraufhin meinte der Sepp: „Das isch e schüüne Huufe Gält. Disch, chasch jetz ufhöre zelle!“ Soweit diese kleine, amüsante Episode à la “Drägg Sepp“.