Von Kurt Meyer
Die Vorbereitungen begannen schon im Sommer
Zu Beginn des neuen Schuljahres gab ich jeweils den Sechstklässlern das Programm des Jahres mit allen Anlässen bekannt. Dazu gehörte auch die Bekanntgabe der Termine für das Skilager. Beiden sechsten Klassen eröffnete ich, dass ich keine Schlittler mitnehmen würde. Sie müssten sich Ski- oder Snowboardausrüstungen selbst organisieren. Auch ich fragte in meinem Bekanntenkreis nach nicht mehr gebrauchten Schuhen und Sportgeräten. Meinem Freund, der ein Sportgeschäft betrieb, sagte ich, dass er keine Schuhe wegwerfen solle, ich hätte immer Kinder, die keine solchen besässen und froh wären, wenn sie auch mit ins Skilager kommen könnten. Mit der Zeit hatte sich im Luftschutzkeller des Schulhauses eine grosse Sammlung von Wintersportartikeln angehäuft. Bald musste sich niemand mehr Sorgen machen, nicht ins Skilager mitgenommen zu werden, denn für jedes Kind war etwas Passendes vorhanden. Selbst den Knaben mit der Schuhgrösse 46 konnte ich in ein Paar Skischuhe stecken. Der Schulrat bewilligte mir auch, Occasion-Skigeräte wie Bigfoots und Snowblades zu kaufen. Auf den grossen "Füssen" oder den noch etwas längeren Kurzskiern, den Snowblades, lernten die Kinder sofort den Hang der Mugiweid hinunterzufahren. Die Bequemlichkeit trug auch zu grossen Fortschritten bei, fuhren doch die Kinder lieber mit dem Lift hinauf, als zu Fuss aufzusteigen. So waren alle motiviert etwas zu lernen, weil ja keines daheim bleiben wollte.
Regeln und Sanktionen
In der Woche vor dem Lager besprachen wir noch die Regeln, die im Lager eingehalten werden mussten. Auch die Frage nach den Sanktionen bei einem Regelverstoss musste beantwortet werden. Diese veränderten sich im Laufe der Zeit.
Aus meiner Schulzeit wusste ich sehr gut, was bei einer Übernachtung alles abgelaufen war. Wieso sollte sich dies geändert haben? Ich gestand den Kindern zu, dass nach dem Lichterlöschen – dies war zwischen halb elf und elf – Unterhaltungen im Flüsterton im Zimmer erlaubt waren. Doch wenn jemand im Haus wegen dem Lärm nicht schlafen konnte, lag im Aufenthaltsraum ein Bündel linierte A4-Blätter bereit. Auf dem ersten Blatt stand oben: «Schreibe 300-mal: Weil ich nicht schlafen will, sitze ich hier und schreibe." Zusätzlich galt auch noch, dass, wenn man in der Nacht mit dem Schreiben nicht fertig wurde, dies bis zum bitteren Ende in der Freizeit gemacht werden musste. Nicht ganz unrecht hatten die Kinder mit dem Einwand, dass dies eine blödsinnige Strafe sei und man dabei nichts lerne. Auf diesen Einwand entgegnete ich, dass es auch blödsinnig sei, wenn ich immer wieder das Gleiche sagen müsste und lernen würde man dabei etwas Wichtiges: Im ganzen Leben muss man sich immer wieder an Regeln halten. Deshalb sei diese Strafe eine gute Übung fürs spätere Leben. Blödsinnig wäre es nur, wenn man die Regeln nicht kennen würde, und dies sei hier nicht der Fall. In Erinnerung geblieben ist mir nur Willi, den ich auf einem Kontrollgang erwischte, wie er vom oberen Stock des Massenlagers mit lautem Gelächter heruntersprang und den Clown markierte. Als er mich in der Türe sah, wusste er sofort, was es geschlagen hatte. Er nahm seinen Schlafsack und begab sich in den Aufenthaltsraum. Am Morgen fand ich ihn schlafend auf dem Boden, die Sätze nummeriert bis dreihundert auf dem Tisch. Er meinte, dass er beinahe vier Stunden geschrieben hätte. Für alle war es eine Lehre, und ich kann mich nicht erinnern, dass danach noch jemand hatte schreiben müssen.
Da ich in der Schule schon verkündet hatte, dass meine Frau für die Verpflegung und ich für das Skifahren zuständig sei, die Freizeit und die Abendunterhaltung aber Sache der Schüler wäre, begannen die einen Klassen die Freizeit zu organisieren, andere aber genossen sie individuell auf ihre Weise: Im Parterre befand sich hinter dem Skiraum der Spielraum. Ein Tischtennistisch und ein Jöggelikasten luden zum Spielen ein. Selbstverständlich kam die Stereoanlage der Schule mit ins Lager, die den Spielraum mit ihrem Klang und der Lautstärke ausfüllte.
Neue Spielmöglichkeiten
Es kam die Zeit, wo fast alle Knaben einen Nintendo besassen, auf dem sie stundenlang spielen konnten. Von den Spielern kam die Frage: "Dürfen wir den Nintendo mitnehmen?" Alle Gamer strahlten, als ich dies bejahte. Die Bedingung, die ich stellte, fanden sie sogar lustig. Man durfte mit dem Nintendo spielen, aber nur in der Badehose und draussen auf dem Schnee - was sie selbstverständlich auch taten.
Als die Handyzeit anbrach, musste ich auch da eine Regel aufstellen, denn ich wollte, dass die Kinder miteinander etwas machten, unternahmen oder organisierten. So mussten die Handys abgegeben werden und durftem nur abends von halb acht bis halb neun benutzt werden. Zum meinem Erstaunen lag mir niemand in den Ohren wegen der Benutzung des Handys. Es gab sogar Handys, die selten geholt wurden.
Da die Kinder die Lagerräume nach den Anweisungen meiner Frau selbst putzen mussten, verbot ich auch das Essen auf dem Zimmer. Alle Schlecksachen mussten auf einem Tisch im Aufenthaltsraum deponiert werden. Auch dazu gab es kaum Einwände.
Unverständliche Massnahmen
Mit wenig Regeln und vielen Freiheiten wurden diese Lager immer zu einem speziellen Erlebnis für die Kinder und sie freuten sich schon beim ersten Schnee auf die drei Tage. Leider wurde dieses Erlebnis durch Leute gekappt, die wenig für Kinder übrighaben. Als ich im Herbst 2022 an einer Schulhausführung teilnehmen konnte, musste ich feststellen, dass in dem Luftschutzkeller, in dem wir die Skiausrüstungen aufbewahrt hatte, leere Gestelle standen und nichts mehr da war, was man zum Skifahren brauchen konnte. Auf meine Frage, wo die Skier und Schuhe wären, bekam ich die Antwort, dass man alles weggeschmissen hätte. Die Lehrerschaft wusste aber nichts davon. Einmal mehr waren da Leute am Werk gewesen, die …………….!