Text und Bilder von Jakob Kubli
Intakte Geissgasse zwischen der Mugiweid und dem Altiger, eine historische Kulturlandschaft, die durch vor- und frühmoderne bäuerliche Nutzung geprägt wurde.
Die Ziegenhaltung im Glarnerland wurde bereits anfangs des 14. Jahrhunderts schriftlich erwähnt. Bis Mitte der 1950er Jahre wurden die Geissen vor allem zur Selbstversorgung gehalten. So gab es auch Milch, wenn die Kühe auf der Alp waren. Auch viele Fabrikarbeiter und Leute, die kein eigenes Land besassen, hielten für ihre tägliche Milch ein paar Geissen. Da sich niemand leisten konnte, den ganzen Tag seine paar Tiere zu hüten, gründeten die Besitzer sogenannte Geisskorporationen. Vom Frühling bis Herbst sammelten die Geisshirten jeden Morgen die Ziegen in den Dörfern ein. Wegen Futterknappheit liess man die Herde nicht im Tal weiden. Es wurden darum schon früh in jedem Dorf die Weide- und Durchgangsrechte festgelegt. Damit die Geisser die Tiere zielgerichtet aus dem Dorf zu den Ziegenweiden treiben konnten, wurden sogenannte Geissgassen geschaffen. Nach einer Erhebung der Naturforschenden Gesellschaft des Kantons Glarus bestehen in mindestens zwölf Glarner Dörfern noch intakte Geisswegstrecken. Eine davon ist die Geissgasse in Netstal.
Weidgebiet der Geissen oberhalb der Geissgasse zwischen Altiger- und Plängglirunse.
Die Geissgasse war Grenzlinie zwischen Ober- und Unternetstal
Sie schied die Genossamen Löntschen (Oberdorf) und Netstal (Unterdorf) voneinander.
Die Geissgasse führt vom damaligen Geissenplatz zwischen dem Gemeindehaus und dem Rothaus über die Landstrasse zu den Schulhäusern, dann über den Sportplatz zur Mugiweid. Dort trennen sich die Wege. Der eine Arm verläuft sich im Dörenteil Richtung Plängglirunse, der andere befestigte Teil Richtung Altiger. Dieser Abschnitt ist vorzüglich unterhalten und kann als eindrücklicher Zeuge der alten Kulturlandschaft bezeichnet werden. Die gefrässigen Geissen hatten in dieser Gasse keine Chance, sich in den angrenzenden Wiesen und Waldungen zu verköstigen. Ab der Stotzigwaldrisi sind keine bauliche Spuren mehr sichtbar. Steinschläge und Lawinen im Altiger machen einen Unterhalt zu aufwändig.
Schutzmauer gegen die gefrässigen Geissen.
Als weitere Geissgasse kann man auch die Rütigasse bezeichnen. Sie führt von der Risi zum Grundkopf Richtung Staldengarten. Es ist dies die Klöntaler-Route, wenn sich die Geisshirti jeweils nach Büttenen –Rhodannenberg - Ruoggis begab.
Reste des Geissenweges in der Rütigasse
Quellenangaben: Paul und Hans Thürer, Geschichte der Gemeinde Netstal 1922 und 1963
Naturzentrum Glarnerland
Historische Aufnahme aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges: Ziegen suchen am Schlattstein Schutz.
Foto: Walter Beeler, Netstal
Wie die Netstaler zum Spitznamen «Geissrippi» kamen. Bitte hier klicken.